Chancengerechtigkeit statt Chancengleichheit

Die Politik ist sich einig: Alle Kinder und Jugendlichen sollen die gleichen Bildungschancen haben. Doch was genau bedeutet das?
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Im Vergleich zu Großbritannien oder den USA ist Deutschland mit seinem Bildungssystem relativ egalitär. Denn auch beim Zugang zu höheren Positionen wird selten nach den besuchten Universitäten differenziert. Der Grund hierfür liegt darin, dass das deutsche Bildungssystem schon viel früher selektiert. Die Selektion erfolgt durch das dreigliedrige Schulsystem. Sehr früh wird also über Erfolg und Misserfolg entschieden.

Chancengerechtigkeit in der Bildung hat viele Bedingungen. Schule hat die Aufgabe Kindern aus bildungsfernen Schichten Chancen zu eröffnen, um so Bildungsaufstieg in sozialen Aufstieg umwanden zu können. Das bedeutet, dass Schule die Bildung vermitteln muss, die für diesen Aufstieg erforderlich ist. Es geht also nicht nur um Abschlüsse und Zertifikate, sondern um die Vermittlung eines vielfältigen Sets an Kompetenzen. Diese beruhen neben basalen Fähigkeiten wie Lesen, Schreiben und Rechnen auch auf elaborierten Kompetenzen und kulturellem Wissen. Das klingt einfach, doch leider schafft es das derzeitige Bildungssystem nicht, dies allen hinreichend zu vermitteln.

Bildung als Voraussetzung für bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt, auf besser bezahlte Stellen und mehr Lebensqualität sollte niemandem vorenthalten werden. Doch leider sieht die Realität nicht so aus. Kinder, deren Eltern nicht schon über hinreichend Einkommen und Bildung verfügen, haben geringere Chancen auf höhere Bildung. Wer aus einem Haushalt mit hoher Bildung stammt, genießt die Freiheiten des Bildungssytems. Wer sich Nachhilfe und Unterstützung leisten kann, erkauft sich gute Bildung. Doch die anderen bleiben zurück. Vor allem dann, wenn die Eltern sich nicht um die Bildung der Kinder bemühen und sie mit Videospielen und Social-Media alleine lassen.

Genau deshalb gilt es, den Begriff der Chancengleichheit durch Chancengerechtigkeit zu ersetzen. Es geht also nicht nur darum, formale Chancengleichheit herzustellen. Der Staat muss eine aktivere Rolle einnehmen. Familien aus bildungsfernen und sozial schwachen Schichten dürfen nicht alleine gelassen werden. Ansonsten entstehen durch das Elternhaus Nachteile, die das derzeitige Schulsystem nicht ausgleicht.

Das Wechselseitige Zuschieben von Verantwortung hilft niemandem weiter. Weder den Eltern noch den Lehrer:innen kann das Versagen gänzlich angelastet werden. Derzeit ist es so, dass es in den schlimmsten Fällen auf beiden Seiten massive Probleme gibt, die das Versagen verursachen. Der Staat jedoch sollte in der Lage sein, in diesen Fällen Verantwortung zu übernehmen, diese Probleme so weit zu kompensieren, dass niemand die Schule verlässt, ohne eine gerechte Chance auf Erfolg bekommen zu haben. Interessen, Talente und Fleiß sollten die ausschlaggebenden Faktoren in der Bildungskarriere sein. Ziel der Bildungspolitik muss es sein, Ungleichheiten früh zu bekämpfen. Und zwar nicht, indem die starken Schüler geschwächt werden, sondern durch eine gezielte Förderung der Schwächeren.